Freuds schillernder Sinnbegriff – zwischen Kausalität und Semantik


Julian Hoffmann, Zürich
Seminar

Freud weist dem Begriff des Sinns eine zentrale Stellung innerhalb der Psychoanalyse zu. So ist der Sinnbegriff auch eng verknüpft mit demjenigen des Unbewussten. Der Umstand, dass sich durch eine Interpolation unbewusster Akte «Sinn und Zusammenhang» gewinnen lassen, fungiert bei Freud als grundlegendes Argument für die Annahme des Unbewussten (GW X, 1915: 265). 

Trotz der Zentralität des Sinnbegriffs scheint Freud, von dem wir eigentlich grosse Präzision gewohnt sind, in seinem Gebrauch dieses Begriffs zu schwanken. Innerhalb seiner Vorlesungen legt er sich etwa darauf fest, unter dem Sinn eines psychischen Vorganges «[n]ichts anderes als die Absicht, der er dient, und seine Stellung in einer psychischen Reihe» (GW XI, 1917: 33) zu verstehen, ergänzt die Explikation aber einige Seiten weiter kommentarlos um den Begriff der Bedeutung (ebd.: 55). 

Dieser Ergänzung gebührt Interesse. Wir können darin den Ansatz zur weit verbreiteten Auffassung erkennen, Freud erachte unter anderem neurotische Symptome als semantische Phänomene. Die Psychoanalyse erscheint uns aus diesem Blickwinkel als ein genuin hermeneutisches Unterfangen. Doch spätestens seit Adolf Grünbaums (1984)einflussreicher Kritik ist es kontrovers, ob Freud tatsächlich auf eine semantische, und nicht doch auf eine kausale Relation Bezug nimmt, wenn er vom Sinn eines Symptoms spricht. Überdies ist es fraglich, ob Symptomen überhaupt diejenigen Eigenschaften zukommen können, die für semantische Phänomene konstitutiv sind. Damit bleibt unklar, in welchem Verhältnis die einzelnen Aspekte stehen, die Freud in seiner Explikation des Sinnbegriffs beleuchtet. Und es drängt sich eine Frage für die psychoanalytische Praxis auf: Wonach fragen wir, wenn wir nach dem Sinn eines Symptoms fragen?

Im Rahmen dieser Veranstaltung wollen wir Freuds Sinnbegriff deshalb einer näheren Betrachtung unterziehen. Wir werden insbesondere kritisch prüfen, wie Freud den semantischen Aspekt dieses Begriffs innerhalb seiner Überlegungen einbettet – und damit diskutieren, ob eine hermeneutische Lesart der Psychoanalyse gerechtfertigt werden kann. Dadurch erhoffen wir uns schliesslich einige neue, anregende Schlaglichter auf die psychoanalytische Theorie und Praxis. 


Zeit:
Fr. 3. Mai 2024, 20.00 – 21.30 Uhr
Sa. 4. Mai 2024, 09.30– 13.00 Uhr

Ort:
Psychoanalytisches Seminar Zürich, Quellenstrasse 25, 8005 Zürich

Anmeldung:
psz@psychoanalyse-zuerich.ch